Crossramming: Ein Insider-Job
Das Crossramming ist eine Technik, mit der die Konstruktion eines Fahrzeugs so weit wie möglich in die ursprüngliche Form zurückgebracht wird. Auch wenn der Begriff selbst etwas anderes vermuten lässt, kann dafür nicht nur ein Rettungszylinder (englisch "ram"), sondern auch ein Spreizer oder sogar ein Kombigerät verwendet werden. Wenn ein Auto schwer verformt wurde, passt ein Rettungszylinder nicht immer sofort, und deshalb setzt man zuerst einen Spreizer oder ein Kombigerät ein, um eine Öffnung zu schaffen. Wie wird das Crossramming sicher und effektiv angewandt?
Zunächst versetzt man der Karosserie einen Stoß
Als ich vor 28 Jahren damit angefangen habe, Karosserien zu reparieren, habe ich alle Arten von Reparaturen gemacht: vom kleinen Kratzer an der Tür bis zum Richten eines Wagens auf einer Fahrgestell-Richtbank, um ihn in seiner ursprünglichen Form zurück auf die Straße zu bringen. In geschäftigen Zeiten oder kurz vor dem Wochenende mussten wir manchmal Notfallreparaturen machen, um dafür zu sorgen, dass ein Kunde mit seinem Auto weiterfahren konnte, zum Beispiel, weil eine Tür wegen einer zu stark verformten Karosserie nicht mehr richtig auf oder zu ging. Ein solches Problem haben wir dann dadurch gelöst, dass wir von innen mit einem Mehrzweckzylindersatz Druck ausgeübt haben, damit die Karosserie gerade den nötigen Stoß bekommt, der es dem Kunden ermöglicht, seine Fahrt fortzusetzen, bis das Auto schließlich repariert werden konnte.
Das Dach entfernen
Als ich im Jahr 1999 mit meiner Ausbildung zum Feuerwehrmann angefangen habe, hat sich die Befreiung von Unfallopfern auf das Entfernen des Autodachs konzentriert, in der Absicht, das Opfer in einer möglichst geraden Linie aus dem Fahrzeug bergen zu können. Das Fahrzeug von innen in seine ursprüngliche Form zurückzudrücken war eine Technik, die nicht genutzt oder angewandt wurde. Infolge neuer Erkenntnisse und geänderter Protokolle von medizinischen Rettern schauen wir uns jetzt zunehmend andere Möglichkeiten zur Befreiung der Opfer an. Außerdem kann man viel häufiger beobachten, dass der Ansatz zum Platzschaffen von innen nach außen zum Einsatz kommt. Bei der Feuerwehr wird diese Methode als Crossramming bezeichnet. Im Einsatz und beim Training kann diese Technik zu neuen Erkenntnissen über das Fahrzeug oder die Karosserie führen.
Warum Crossramming?
Wenn die Feuerwehr gerufen wird, um jemanden aus seinem Wagen zu befreien, geht es nicht darum, einfach ein bisschen Druck von innen nach außen auszuüben, damit der Fahrer seine Fahrt fortsetzen kann. Allerdings kann auf diese Weise gerade der kleine zusätzliche Raum geschaffen werden, damit der medizinische Retter im Fahrzeug lebensrettende Maßnahmen ergreifen, eine eingeklemmte Gliedmaße befreien und es dem Opfer vielleicht ermöglichen kann, eine bequemere Haltung einzunehmen. Das Crossramming kann auch dazu beitragen, dass die Rettungskräfte eine bessere Position für das Schneidgerät oder den Spreizer finden.
Wie funktioniert das Crossramming?
Beim Crossramming geht es auf jeden Fall um die relative Kraft. Wenn man eine Konstruktion in ihren ursprünglichen Zustand zurückdrücken will, braucht man einen stärkeren Gegenstand an der gegenüberliegenden Seite als Abstoßpunkt. Um die Karosserie in ihre ursprüngliche Position zu drücken, nutzen wir einen Rettungszylinder oder einen Spreizer. Auch mit einem Kombigerät kann der erste Schritt zum Schaffen von mehr Platz gemacht werden. Sobald genug Platz da ist, kann man ganz leicht auf einen Rettungszylinder umsteigen.
Das Gerät bewegt sich immer in Richtung des schwächeren Teils. Man versucht, die Fahrzeugkonstruktion zu bewegen. Deshalb muss man das Konzept der relativen Kraft berücksichtigen. Das heißt, dass man die Basis des Rettungszylinders an einem Punkt anbringt, der relativ gesehen stärker als der Bereich ist, den man bewegen will. Wenn das nicht klappt, bewegt sich stattdessen die Basis des Rettungszylinders.
Deshalb ist es wichtig, die grundlegende Konstruktion von Fahrzeugen zu kennen; die Kräfteverteilung ist hier der Schlüssel zum Erfolg. Beim Crossramming gibt es immer wieder Momente, wenn man merkt, dass beide Seiten gleich stark sind, und dann kann man auf Cross Ram Support zurückgreifen. Dadurch vergrößert man die Oberfläche des Bereichs, von dem man sich wegdrückt und kann so die relative Kraft zum eigenen Vorteil beeinflussen.
Worauf man beim Crossramming achten muss
Es ist wichtig, die folgenden Punkte zu berücksichtigen, um die Technik des Crossramming sicher und wirksam einzusetzen.
Schälen und schauen
In unserem Blog-Beitrag Spielen Sie russisches Roulette? haben wir schon über die Gefahren beim Schneiden in die Airbag-Zylinder geschrieben. Wenn ein Rettungszylinder oder Spreizer in Bereichen eingesetzt wird, die einen Airbag-Zylinder oder einen Gurtspanner enthalten könnten, muss man das erst gründlich überprüfen. Dazu wird die Innenverkleidung entfernt und das CRS (Crash Recovery System) überprüft, um zu verhindern, dass sich wichtige Punkte beim Drücken verschieben und versehentlich die Airbag-Kartuschen oder die Gurtspanner auslösen.
Brauche ich Stützausrüstung?
Eine verformte Konstruktion ist geschwächt, sodass es leichter ist, die Karosserie in ihre ursprüngliche Form zurückzudrücken. Daher ist es nicht immer erforderlich, eine Stützvorrichtung für Rettungszylinder oder Spreizer zu verwenden: Schließlich ist der Punkt, von dem man sich wegdrückt, viele Male stärker als die verformte Karosserie. Ein gutes Beispiel ist das Abdrücken von einem Sitz. Im intakten Zustand ist die Sitzkonstruktion sehr stark; tatsächlich sogar stark genug, um als ein Abdruckpunkt zum Zurückdrücken der Karosserie in ihre ursprüngliche Form in Betracht gezogen zu werden. Deshalb verwendet man keinen Stützblock, wenn der Rettungszylinder gegen einen Sitz gedrückt wird; sobald die Polsterung zusammengedrückt wurde, trifft der Rettungszylinder üblicherweise auf das solide Sitzgestell.
Die richtige Positionierung gleich beim ersten Mal
Ähnlich wie die Positionierung eines Rettungszylinders oder Spreizers beim Entfernen oder Anheben des Armaturenbretts, ist es auch beim Crossramming wichtig, darauf zu achten, dass das Gerät korrekt positioniert wird, wenn man damit beginnt, die Konstruktion zu bewegen. Der Grund dafür ist, dass die Konstruktion beim Positionswechsel eines Geräts wieder zurückschnellen und dabei das Opfer noch weiter einklemmen kann. Wenn man einen Teleskopzylinder mit Laserpointer verwendet, ist es leichter, das Gerät richtig zu positionieren: Damit lässt sich genau der Punkt markieren, an dem der Rettungszylinder auf das Fahrzeugteil auftreffen wird.
Nicht schneiden
Wenn man sich für das Crossramming entscheidet, sollte die Karosserie nicht geschnitten werden, bevor sie sich in ihrer ursprünglichen (erwünschten) Form befindet. Wenn man die Karosserie zerschneidet, bewegt sich der Teil hinter dem Schnitt durch die Kraft des Rettungszylinders oder des Spreizers nicht mit. Wenn die Karosserie intakt bleibt, sorgt man für Bewegung in der gesamten Struktur. Folglich kommt es auch zu Bewegungen in Bereichen, die für den Rettungszylinder oder den Spreizer unzugänglich sind, weil ein Unfallopfer diesen Ansatzpunkt blockiert. Da es beim Crossramming immer darum geht, mehr Platz in der Nähe des Unfallopfers zu schaffen, trägt die Bewegung in der gesamten Karosserie dazu bei, dem Opfer zu einer komfortableren Haltung zu verhelfen, sogar in Bereichen, die für den Rettungszylinder oder den Spreizer nicht zugänglich sind.
Wie trainiert man das Crossramming?
Crossramming ist eine Technik, die von der Feuerwehr nicht oft trainiert wird. Das liegt daran, dass die bei Schulungen eingesetzten Fahrzeuge häufig nicht verformt sind. Deshalb ist es kaum möglich, den Effekt, sie in ihre ursprüngliche Form zurückzudrücken, ordentlich zu demonstrieren.
Die Konstruktion schwächen
Wenn an einem Auto ohne Schäden gearbeitet wird, besteht die einzige Möglichkeit zum Drücken darin, es noch größer zu machen, als es ursprünglich gewesen ist. Um das Auto über seine ursprüngliche Form hinauszudrücken, müssen wir die Konstruktion schwächen. Ohne diese Schwächung wäre die relative Kraft der Fahrzeugkonstruktion größer als jeder Abdruckpunkt. Kurz gesagt ist es für das ordentliche Training von Crossramming wichtig, dass man über ein verformtes Fahrzeug verfügt. Wenn kein geeignetes Fahrzeug zur Verfügung steht, kann man solche Wracks selbst machen. Dieses Video zeigt, wie man zu geeigneten Wracks kommt.
Ein Opfer-Dummy verwenden
Bei Schulungen zum Crossramming sollte nach Möglichkeit ein Opfer-Dummy zum Einsatz kommen. Dies sorgt für eine vorsichtigere Arbeitsweise, weil man die Opferbehandlung mit berücksichtigen muss. Außerdem sorgt es für zusätzliche Einschränkungen bei der Auswahl der Abdruckpunkte. Die Einsatzleiter werden dadurch zu mehr Kreativität bei ihren Lösungsansätzen gezwungen.
Fazit
Das Crossramming ist eine Technik, die von der Feuerwehr häufig unterschätzt wird. Man kann diese Technik bei Schulungen einsetzen, um mehr über die Konstruktion von Fahrzeugen zu erfahren. Der anspruchsvolle Teil der Technik besteht darin, dass Crossramming nur dann wirklich gut funktioniert, wenn das Fahrzeug verformt wurde. Oftmals erreicht man das in Schulungen nicht einfach. Techniken, die kaum oder so gut wie gar nicht eingeübt werden, sind im Falle eines Rettungseinsatzes auch nicht die erste Wahl. Das ist schade, denn wenn Crossramming richtig eingesetzt wird, bietet es viele Möglichkeiten, um in kurzer Zeit und mit Sicherheit Platz in einem deformierten Fahrzeug zu schaffen. Der große Vorteil dieser Technik besteht darin, dass es sehr schnell geht, sobald man einmal über entsprechende Erfahrung verfügt.
Mit diesem Blog wollte ich ein paar Einblicke und Beispiele vermitteln, damit Crossramming zu einem vertrauten Bestandteil der Möglichkeiten wird, die Ihnen zum Befreien von Opfern zur Verfügung steht. Für Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung!
Ich freue mich auf Ihr Feedback in den Kommentaren.
Marinus Verweijen
Holmatro Rescue Consultant