Übungseinsätze: Die eigenen Vorgänge üben
Was heißt das? Wenn Mannschaften trainieren, bleiben die Schoner dann etwa in der Umkleidekabine? Werden Regeln missachtet, weil kein Schiedsrichter zuschaut? Nein, im Training wird das richtige Spiel geübt. Warum lassen wir dann so oft grundlegende Schritte weg, wenn wir Rettungseinsätze üben?
Die Situation
Üblicherweise arbeiten wir mit einem zu Schrott gefahrenen Fahrzeug auf einem Schrottplatz, und wenn wir Glück haben, wurde es zu unserer Station geschleppt. Oftmals ist die Batterie schon längst ausgebaut, und ebenso sind alle gefährlichen Flüssigkeiten sowie gefährliche Ladungen inzwischen aus dem Fahrzeug entfernt worden. Ich habe schon viele Mannschaften dabei beobachtet, wie sie bei Übungseinsätzen zur technischen Rettung mit großartiger Technik ans Werk gegangen sind, um auf die erfundene Rettungssituation zu reagieren, die zur Verbesserung ihrer Fähigkeiten entworfen wurde. Aber viel zu häufig muss ich dann mit ansehen, wie keine Sicherung des Einsatzortes erfolgt und weder Sicherheitskontrollen durchgeführt noch mögliche Gefahren abgewendet werden. Wir legen gleich los und machen uns an die Arbeit, weil die Situation ja ‚sicher‘ ist.
Dabei sagen wir immer wieder, dass wir so lange trainieren müssen, bis uns keine Fehler mehr unterlaufen. Und wie sollen wir das schaffen, wenn nicht auch alle Schritte zu unserem Training gehören? Wenn eine Mannschaft nicht alle erforderlichen Schritte durchführt, können jedes Mal Fehler und Verletzungen auftreten, wenn es wirklich darauf ankommt.
Und wenn Sie jetzt an Wettkämpfe im Bereich der technischen Rettung denken, dann müssen alle Aufgaben abgehakt werden, um eine gute Bewertung zu erhalten. All diese Schritte folgen einer Vorabplanung. Im Motorsport weisen die Sicherheitsteams jedem Team-Mitglied bestimmte Aufgaben zu. Und sie gehen jedes Mal nach dem gleichen Standardverfahren vor, um die Sicherheit und den Erfolg des Einsatzes zu garantieren. Die Aufgabenverteilung innerhalb des Teams ist absolut entscheidend. Sie sollte unterwegs besprochen werden. Die Zuweisung kann entweder auf dem Weg erfolgen oder vorab anhand der Sitzposition im Einsatzfahrzeug, als Standardverfahren, zugewiesen worden sein.
Womit arbeiten wir?
Ganz egal, wie die Planung im Einzelnen aussieht, die Einschätzung des Einsatzortes ist Sache des Teams, das zuerst ankommt.
Zunächst geht es darum, das Ausmaß des Einsatzortes insgesamt zu erfassen: Was finden wir bei Ankunft am Einsatzort vor? Wie viele Fahrzeuge sind betroffen? Gibt es externe Gefahren, z.B. Überlandleitungen, Gasleitungen oder Brände? Ist der sichere Zugang der Einsatzkräfte zum Einsatzort gewährleistet? Was für Fahrzeuge sind betroffen: Pkw oder Lkw? Wenn es sich um Lkw handelt, was haben sie geladen? All das muss erfasst und den anwesenden sowie allen später eintreffenden Einsatzkräften mitgeteilt werden. Sobald wir der Meinung sind, dass der Zutritt zum Einsatzort sicher ist, beginnen wir mit Phase zwei.
Das betroffene Fahrzeug
Gibt es Bedenken zur Stabilität? Kann das Fahrzeug einen Hügel herunterrollen oder in den Verkehr zurückrollen? Schaukelt es auf instabile Weise? Reichen zwei einfache Blöcke vor und hinter einem Reifen aus, um die Sicherheit zu gewährleisten? Muss ein Fahrzeug zusätzlich verankert werden, bevor die Mannschaften ihre Arbeit aufnehmen?
Wo befindet sich das Fahrzeug? Auf Schienen? Ist der Abstand zum fließenden Verkehr ausreichend, damit die Einsatzkräfte in sicherer Entfernung arbeiten können? Laufen die Motoren noch oder treten Flüssigkeiten aus, von denen Gefahren ausgehen könnten? Üben Sie das Entfernen und Sicherstellen von Schlüsseln oder elektronischen Anlasser-Systemen ohne Schlüssel (Fobs). Manchmal ist dafür eine Entfernung von bis zu 6,5 Metern (20 ft) vom Fahrzeug erforderlich. Bevor wir das tun, müssen wir eine Airbag-Schutzabdeckung auf dem Lenkrad anbringen, um den Schlüssel sicher entfernen zu können und ein sicheres Arbeitsumfeld für die medizinischen Retter zu schaffen.
Jetzt müssen wir uns Zugang zur Batterie verschaffen und sie abklemmen. Während dieser Zeit sollte sich jemand die Opfer anschauen. Gleichzeitig müssen die übrigen Einsatzkräfte und die Einsatzleiter darüber informiert werden, dass diese Benchmark-Aufgaben erfüllt worden sind. Viele dieser Aufgaben werden gleichzeitig erledigt, und auch hier gilt: Übung macht den Meister. Trotzdem müssen wir sie bei jedem Training üben, damit sie uns in Fleisch und Blut übergehen und unter keinen Umständen vergessen werden.
Geräte-Positionierung
Die Geräte-Positionierung und die Körperhaltung der Einsatzkraft sollten im Rahmen von Übungseinsätzen mit hydraulischen Geräten genau überprüft werden. Denn es passiert ganz schnell, dass im Rahmen einer Übung ein Trick angewandt wird, der bei einem echten Einsatz nicht funktionieren würde. Üben Sie keine Techniken, die Sie nicht verwenden können, wenn tatsächlich ein Patient gerettet werden muss. Denken Sie außerdem daran, auch einen Plan B abzusprechen und zu üben. Ihnen muss außerdem bewusst sein, dass sich der medizinische Zustand des Patienten verändern kann. Sie sollten über Pläne zur schnellen und kontrollierten Rettung verfügen und auch in der Lage sein, diese Pläne entsprechend in die Tat umzusetzen.
Umwelteinflüsse während der Übungseinsatzes
Auch bei Übungseinsätzen müssen die Umwelteinflüsse berücksichtigt werden. Mit welcher Witterungslage müssen Sie rechnen? In bestimmten Gegenden auf der Welt, z. B. in meiner Heimat in Texas, ist es durchaus möglich, dass das Wetter in einer einzigen Woche zu drei Jahreszeiten passt. Temperaturen unter Null, starke Niederschläge und Höchsttemperaturen von bis zu 29 °C (85 °F), und all das binnen fünf Tagen. Haben wir die richtige Ausrüstung im Einsatzfahrzeug, um darauf vorbereitet zu sein? Üben Sie Einsätze in der Hitze, bei denen es darauf ankommt, für die Flüssigkeitsversorgung der Einsatzkräfte zu sorgen und mit rotierenden Teams zu arbeiten. Genauso muss mit Einsätzen bei kalten Temperaturen und bei Regenwetter verfahren werden. Eine Unterkühlung kann sehr schnell auftreten. Bei unwirtlicher Wetterlage ist auch der Schutz der Opfer von entscheidender Bedeutung. Daher ist ein den Jahreszeiten angepasstes Training so wichtig. Wenn wir mit unseren Teams rausfahren und auch bei schlechtem Wetter trainieren, kann uns das nur besser darauf vorbereiten, wenn der nächste echte Einsatz ruft.
Wie sieht es bei Ihnen mit der Beleuchtung am Einsatzort aus? Die Scheinwerfer des Einsatzfahrzeuges sorgen nur in einem sehr kleinen Bereich um das Fahrzeug herum für eine ausreichende Beleuchtung. Und was, wenn das Fahrzeug in zu großer Entfernung zur Fahrbahn verunfallt ist, oder es aufgrund der Verkehrslage nicht möglich ist, in unmittelbarer Nähe zu parken? Haben Sie geeignete tragbare Leuchten dabei? Ihre hydraulischen Geräte sollten mit einer Beleuchtung ausgestattet sein, sind die Akkus aufgeladen? Ein nächtlicher Übungseinsatz rückt die Einsatzbereitschaft Ihrer Mannschaft ganz schnell in ein neues Licht.
Zu guter Letzt sollten wir uns auch über PSA unterhalten
Wenn man mir ein Brett für jede Rettungskraft geben würde, die ich beim Übungseinsatz mit unvollständiger PSA gesehen habe, weil es ja ‚nur 'ne Übung‘ ist, könnte ich mir ein ganzes Haus bauen. Wenn man einfach nur den Mantel anzieht, oder die eigene Ausrüstung auf Handschuhe und Helm reduziert, fordert man sein Glück buchstäblich heraus. Nachlässigkeit ist einer der Hauptgründe für Verletzungen. Sicher ist die PSA häufig hinderlich, stickig, und sie kann auch unbequem werden. Aber warum sollten wir unter Umständen trainieren, die nicht der Realität entsprechen? Ziel der Übung ist es, die eigenen Fähigkeiten zu verbessern. Zu diesen Fähigkeiten gehört es auch, dass wir Hindernisse überwinden und lernen, mit dem zu arbeiten, was uns zur Verfügung steht. Daher sollte jeder Übungseinsatz auf jeden Fall auch mit vollständiger PSA durchgeführt werden. Nicht nur aus Sicherheitsgründen, sondern auch um der Übung Willen.
Am Ende geht es darum: Wir üben für den Ernstfall. Verzichten Sie ganz bewusst auf alle Tricks und Kniffe, von denen Sie im Ernstfall einer Rettung doch nur im Stich gelassen werden.
Wie immer freue ich mich über Ihre Kommentare und die Diskussion zu allen Themenbereichen, die wir im Blog behandeln.
Jason Bell
Product Marketing Manager
Holmatro Inc